- Anhang -KLEINE GRAMMATIK
Die Neusprache war die in Ozeanien eingeführte Amtssprache und zur Deckung der ideologischen Bedürfnisse des Engsoz erfunden worden. Sie hatte
nicht nur den Zweck, ein Ausdrucksmittel für die Weltanschauung und geistige Haltung zu sein, die den Anhängern des Engsoz allein angemessen war, sondern darüber
hinaus jede Art anderen Denkens auszuschalten. Wenn die Neusprache erst ein für allemal angenommen und die Altsprache vergessen worden war (etwa im Jahre 2050), sollte
sich ein unorthodoxer - d. h. ein von den Grundsätzen des Engsoz abweichender Gedanke - buchstäblich nicht mehr denken lassen, wenigstens insoweit Denken eine
Funktion der Sprache ist. Der Wortschatz der Neusprache war so konstruiert, daß jeder Mitteilung, die ein Parteimitglied berechtigterweise machen wollte, eine genaue und
oft sehr differenzierte Form verliehen werden konnte, während alle anderen Inhalte ausgeschlossen wurden, ebenso wie die Möglichkeit, etwa auf indirekte Weise das
Gewünschte auszudrücken. Das wurde teils durch die Erfindung neuer, hauptsächlich aber durch die Ausmerzung unerwünschter Worte erreicht, und indem man die
übriggebliebenen Worte so weitgehend wie möglich jeder unorthodoxen Nebenbedeutung entkleidete. Ein Beispiel hierfür: das Wort frei gab es zwar in der Neusprache
noch, aber es konnte nur in Sätzen wie "Dieser Hund ist frei von Flöhen", oder "Dieses Feld ist frei von Unkraut" angewandt werden. In seinem alten Sinn von
"politisch frei" oder "geistig frei" konnte es nicht gebraucht werden, da es diese politische oder geistige Freiheit nicht einmal mehr als Begriff gab und infolgedessen
auch keine Bezeichnung dafür vorhanden war. Wir erachten diese Wahrheiten als selbstverständlich, daß alle Menschen gleich erschaffen worden sind, daß der Schöpfer ihnen gewisse unabänderliche Rechte verliehen hat als solche sind: Leben, Freiheit, und das Streben nach Glück. Daß, um diese Rechte ihnen zu sichern, Regierungen unter den Menschen eingesetzt worden sind, deren gerechte Gewalt sich von der Zustimmung der Regierten herleitet. Daß, wenn immer eine Form der Regierung zerstörend in diese Endzwecke eingreift, das Volk das Recht besitzt, diese zu ändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen...
Es wäre ganz unmöglich gewesen, dies in die Neusprache zu übertragen und dabei den Sinn des Originals zu erhalten. Am nächsten etwa käme diesem
Vorgang das Aufgehen dieses ganzen Abschnittes in dem einen Wort: Verbrechdenk. Eine vollständige Übersetzung hätte nur eine ideologische sein können, wobei
Jeffersons Worte in eine Lobeshymne auf die absolutistische Regierungsform umgewandelt worden wären. |